Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 7. Juli 2015 die Abschiebung eines Flüchtlings aus Syrien nach Ungarn vorläufig ausgesetzt.

Der Antragsteller reiste im Januar 2015 über Ungarn nach Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Durch Abgleich seiner Fingerabdrücke wurde festgestellt, dass er sich bereits in Ungarn aufgehalten hat. Nachdem die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages erklärt hatten, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Mai 2015 den Asylantrag des Antragstellers unter Berufung auf die Regelungen der Dublin III-Verordnung als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Hiergegen erhob der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Münster Klage und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Diesem Eilantrag gab das Gericht nunmehr statt. In den Gründen des Beschlusses heißt es unter anderem: Die jüngste Entwicklung in Ungarn gebe Anlass zu der Annahme, dass gravierende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel vorhanden seien, aufgrund derer der Antragsteller im Falle der Rückführung Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu sein. Ausgangspunkt für diese Bewertung sei das in Ungarn sich in jüngster Zeit massiv zuspitzende Kapazitätsproblem bei der Aufnahme von Asylbewerbern bedingt durch die stetig ansteigende Zahl von Asylbewerbern. Es könne angesichts der Zuwanderung von mehr als 60.000 Flüchtlingen innerhalb eines halben Jahres ersichtlich nicht davon ausgegangen werden, dass die erheblich zu geringe Zahl an staatlichen Unterbringungsplätzen für Asylbewerber auch nur ansatzweise aufgefangen werden könnte. Hinzu komme, dass sich der ungarische Staat selbst weder willens noch in der Lage sehe, die Unterbringung und Versorgung der stetig ansteigenden Zahl von Asylbewerbern zu gewährleisten. Als erschwerend sei die ablehnende Haltung der ungarischen Regierung gegenüber dem Dublin-Übereinkommen anzusehen, die das gesamte Dublin-Konzept als einen Systemfehler bezeichne. Seitens der ungarischen Regierung werde unmissverständlich deutlich gemacht, dass man eine nennenswerte Zuwanderung sog. Wirtschaftsflüchtlinge nicht wünsche und Ungarn keine multikulturelle Gesellschaft werden wolle. Danach sei zu konstatieren, dass die ungarische Regierung die Politik der Ausgrenzung weiter forciere. Ungeachtet internationaler Kritik habe Ungarn die Regeln für die Einwanderung verschärft. Angesichts dieser Entwicklungen bestünden ernst zu nehmende Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Asylsystem in Ungarn systemische Schwachstellen aufweise. Daher sehe sich das Gericht veranlasst, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren – unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung -  die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Ungarn derzeit als offen zu betrachten. Die nähere Prüfung dieser Fragestellung sei allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Bis zum Abschluss des Klageverfahrens überwiege das Interesse des Antragstellers an einem Verbleib in Deutschland.

Der Beschluss ist nach dem Asylverfahrensgesetz unanfechtbar.

Der Beschluss wird in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de veröffentlicht.

 (Az.: 2 L 858/15.A – rechtskräftig)