Das Jahr 2020 war auch beim Verwaltungsgericht Münster in mehrfacher Hinsicht durch die Corona-Pandemie geprägt: Einschränkung des regelmäßigen Sitzungsbetriebs während der Lockdown-Zeiten, Kontaktbeschränkungen auch unter den Beschäftigten, zeitweise Quarantäne einzelner Mitarbeiter, zunehmendes Arbeiten der Richterinnen und Richter im Home-Office, mündliche Verhandlungen hinter Glasscheiben und teilweise mit Mund-Nase-Bedeckung sowie die wiederholt erforderlichen Anpassungen des Hygienekonzepts an das Infektionsgeschehen führten dazu, dass der Geschäftsbetrieb des Gerichts immer wieder neu organisiert werden musste.

Dabei geriet es fast in den Hintergrund, dass das Gericht nach zwei Jahren im Interimsquartier in den Räumen des ehemaligen Lufttransportkommandos der Bundeswehr an der Manfred-von-Richthofen-Straße im November 2020 wieder in sein angestammtes Gebäude an der Piusallee einziehen konnte. Die vorgesehene feierliche Einweihung des nunmehr umfassend energetisch sanierten und rundum modernisierten Gerichtsgebäudes durch den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Peter Biesenbach musste pandemiebedingt ebenso ausfallen wie eine Vielzahl anderer Veranstaltungen des Gerichts.

Die Modernisierung des Gerichtsgebäudes schließt eine erhebliche Verbesserung der technischen Ausstattung für die zunehmende Digitalisierung vieler Arbeitsvorgänge ein. Nach intensiven Vorbereitungen im Jahr 2020 führt das Gericht seit dem 1. Januar 2021 die elektronische Akte ein. Auch die Voraussetzungen für gerichtliche Verhandlungen in Videoform sind geschaffen. Den ersten Termin dieser Art mit vielen Beteiligten hat die 5. Kammer des Gerichts am 3. März 2021 durchgeführt.

Die Entwicklung der Corona-Pandemie lässt sich auch an der Rechtsprechung des Gerichts ablesen: Insgesamt gingen 2020 etwa 60 Klagen und Eilanträge ein, die gegen verschiedene behördliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gerichtet waren. So hatte sich das Gericht zum Beispiel mit dem Verbot von Demonstrationen, der Schließung einzelner Gewerbebetriebe (fleischverarbeitender Betrieb, Fitnessstudio, Tattoostudio, Nagelstudio, Yoga-Studio, Gaststätte, Hundeschule, Schwimmschule), dem Verbot privater Feiern (Geburtstag, Abitur-Abschlussfeier), Quarantäne-Anordnungen, der Entlassung von Asylbewerbern aus Aufnahmeeinrichtungen wegen der dortigen Infektionsgefahr und der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule zu befassen. Auch wenn die Zahl dieser Verfahren gegenüber der Gesamtzahl der Verfahren des Gerichts nicht besonders ins Gewicht fiel, entstand hier oft eine besondere Arbeitsbelastung, weil die jeweils angegriffenen Maßnahmen oft nur auf kurze Zeit angelegt waren und dementsprechend schnell entschieden werden musste.

Trotz der erschwerten Bedingungen konnte beim Verwaltungsgericht Münster die Zahl der anhängigen Verfahren zum Ende des Jahres 2020 im Vergleich zum selben Zeitpunkt im Vorjahr um rund 500, nämlich von insgesamt 5.030 auf 4.511 Verfahren, reduziert werden.

Die allgemeine Geschäftsentwicklung (einschließlich Asylverfahren) im Überblick:

 

Geschäftsentwicklung
in den letzten
fünf Jahren

(Quelle: IT.NRW)

Jahr

Eingänge

Erledigungen

Anhang am Jahresende

2016

8.252

5.767

4.754

2017

9.806

7.982

6.578

2018

5.340

5.836

6.082

2019

4.629

5.681

5.030

2020

4.211

4.730

4.511


Diese Entwicklung wurde dadurch begünstigt, dass das Gericht durch eine erneut gesunkene Zahl der neu eingegangenen Asylverfahren entlastet wurde. Während 2019 insgesamt 2.432 Klagen und Eilanträge aus dem Bereich des Asylrechts eingegangen waren, waren im Jahr 2020 nur insgesamt 1.920 neue Verfahren zu verzeichnen.

Die Geschäftsentwicklung der Asylverfahren im Überblick:

Asylverfahren

 

Geschäftsentwicklung
in den letzten
fünf Jahren

 

(Quelle: IT.NRW)

Jahr

Eingänge

Erledigungen

Anhang am Jahresende

2016

6.067

3.642

3.389

2017

7.568

6.040

4.917

2018

3.074

3.743

4.248

2019

2.432

3.390

3.290

2020

1.920

2.590

2.620

 

Der Rückgang an neuen Asylverfahren bewirkte auch, dass die durchschnittliche Dauer der Verfahren in den sogenannten klassischen Rechtsgebieten im Vergleich zu 2019 wieder verkürzt werden konnte, nämlich von 12,3 Monaten auf durchschnittlich 11,6 Monate. In den Eilverfahren aus diesen Rechtsgebieten konnte die Verfahrensdauer in etwa gleichbleibend kurz gehalten werden.

Die Entwicklung der Verfahrensdauer in den sogenannten klassischen Rechtsgebieten:

Entwicklung der Verfahrensdauer
in den letzten fünf Jahren (in Monaten)


(Quelle: IT.NRW)

Jahr

Hauptsacheverfahren

Eilverfahren

2016

10,3

1,3

2017

9,7

1,4

2018

10,3

1,5

2019

12,3

1,6

2020

11,6

1,5

 

Im Bereich des Asylrechts konnte die Dauer der Eilverfahren mit durchschnittlich 0,8 Monaten ebenfalls so kurz gehalten werden wie in den Vorjahren. Dagegen wirkte sich der mehrwöchige eingeschränkte Sitzungsbetrieb während der Lockdown-Zeiten im Frühjahr 2020 und am Jahresende auf die Dauer der erledigten asylrechtlichen Hauptsacheverfahren negativ aus. Da in diesen Verfahren in der Regel nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung abschließend entschieden werden kann und Videokonferenzen sich hierfür in den meisten Fällen nicht eignen, stieg die Verfahrensdauer hier von 17,9 Monaten auf durchschnittlich 22,5 Monate.

Die Entwicklung der Dauer der Asylverfahren:

Entwicklung der Verfahrensdauer
in den letzten fünf Jahren (in Monaten)


(Quelle: IT.NRW)

Jahr

Hauptsacheverfahren

Eilverfahren

2016

7,0

0,6

2017

7,1

0,8

2018

11,7

0,9

2019

17,9

0,8

2020

22,5

0,8


Schon aus diesem Grund steht fest, dass die Corona-Pandemie auch das Verwaltungsgericht Münster weiter beschäftigen wird. Dabei gilt es im Jahr 2021 nicht nur, die Dauer der asylrechtlichen Hauptsacheverfahren wieder zu verkürzen. Es zeichnet sich außerdem bereits jetzt ab, dass das Gericht weiterhin mit Verfahren im Zusammenhang mit der Pandemie befasst sein wird. So sind seit Anfang 2021 schon etwa 500 Klagen eingegangen, mit denen Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz für Betriebsschließungen sowie Verdienstausfall aufgrund von Quarantäne-Anordnungen geltend gemacht werden.